Pop trifft Philharmonie: Bremer Publikum feiert 40 Jahre „Night of the Proms“

Mit einem ausgefeilten Staraufgebot feierte die Konzert-Show „Night of the Proms“ am vergangenen Sonntag 40-jähriges Jubiläum und präsentierte dabei in der ausverkauften ÖVB-Arena Bremen mehr Pop als Klassik und gleich mehrere Grammy-Gewinner.

Zugegeben, ich war beim Schreiben dieses Artikels selbst anfangs ein bisschen verwirrt: Hatte ich nicht vor zwei Jahren erst vom 25-jährigen Jubiläum geschrieben? Und nun 40-jähriges? Ich meine, Zeit ist ja bekanntlich relativ, aber innerhalb von zwei Jahren einfach mal 15 raufzupacken ist schon ein Sprung! Das mathematische Rätsel lässt sich aber eigentlich ganz schnell und einfach lösen: Seit 1985 gibt es die „Night of the Proms“, seit 1994 tourt sie auch in Deutschland und nun ja, Bremen war halt nicht von Anfang an dabei. Mittlerweile ist unsere schöne Hansestadt aber fest im Tourneeplan verankert und die Veranstaltung ein fixer Bestandteil des Bremer Event-Kalenders. Und das Bremer Publikum liebt die „Night of the Proms“ – so sehr, dass die Menschen bereits vor der diesjährigen Show Schlange standen, um sich Tickets für 2026 zu sichern. Dieses Phänomen zeigt sich auch in anderen Städten und somit hat sich, was einst aus einer fixen Studenten-Idee entstanden ist, im Laufe der Jahre zu einer wahren Erfolgsgeschichte entwickelt.

Das Beste aus 300 Jahren populärer Musik

Für alle, die die „Night of the Proms“ noch nicht kennen, hier ein paar schnelle Fakten: Sie ist ein in Europa einzigartiges Musik-Event und ist eine Symbiose von klassischer Musik und verschiedenen Musikstilen aus dem Bereich der Populärmusik. Damit schlägt sie eine Brücke zwischen allen musikalischen Genres. Die Grundpfeiler der Show bestehen aus dem Antwerp Philharmonic Orchestra unter der Leitung der brasilianischen Dirigentin Alexandra Arrieche, dem Chor Fine Fleur, der in unterschiedlicher Besetzung und Größe sowohl die Klassik als auch die Popmusik bereichert, und der Show eigenen Rockband NOTP Backbone Band, die die jährlich wechselnden Stars musikalisch unterstützt. In der Regel werden fünf (inter-)nationale Acts präsentiert sowie ein oder mehrere Klassiksolisten, bei denen es sich oft um junge, aufstrebende Ausnahmekünstler:innen handelt, oder es wird ein klassisches Instrument besonders hervorgehoben. Abgerundet wird der musikalische Genuss durch ein grandioses Licht- und Projektionsdesign, welches die „Night of the Proms“ zu einer der aufwendigsten Lichtshows der internationalen Tourneeszene macht.

In diesem Jahr lag der Fokus allerdings ausschließlich auf der Populärmusik und das Line-Up bestand aus Joss Stone, Midge Ure, dem Safri Duo, Vanessa Amorosi, Michael Schulte und Rock-Legende Alice Cooper.

Joss Stone bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Joss Stone bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Joss Stone bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena

Grammy-Feeling in Bremen: Joss Stone und Midge Ure

Dass dieser „Night of the Proms“-Abend im Zuge der 40-Jahre-Jubiläumstour irgendwie ein bisschen anders werden würde als sonst, hätte man rückblickend eigentlich gleich zu Beginn erahnen können. Das Antwerp Philharmonic Orchestra eröffnete zwar wie gewohnt den Konzertabend, den Stefan Frech sympathisch wie immer moderierte, aber mit dem Song „The Greatest Show“ aus dem Film „The Greatest Showman“ war dieser fulminante Start doch wesentlich poppiger als sonstige Klassik-Sequenzen. Auch dass der traditionelle Publikumswalzer – dieses Jahr in Form von „Coppelia´s Donauwellen“ – bereits als zweites Stück gespielt wurde, war ungewohnt. Normalerweise hat das Bremer Publikum etwas mehr Zeit, um sich innerlich darauf vorzubereiten und vielleicht noch das ein oder andere Quäntchen Mut zusammenzukratzen – aber dennoch ließen sich einige tanzfreudige Paare nicht von der überraschenden Abweichung abschrecken und kreisten fröhlich im 3/4-Takt durch den Zuschauerraum. Bei rund 80% „Wiederholungstätern“ unter den Gästen hat man diesem Tanz ja vielleicht auch schon das ganze Jahr entgegen gefiebert, wer weiß… So war es dann irgendwie ein ganz besonderer Showauftakt, der durch ein buntes Lichtermeer von den oberen Rängen stimmungsvoll begleitet wurde.

Direkt nach dem Walzer betrat die britische Sängerin und Schauspielerin Joss Stone die Bühne. Barfuß natürlich, wie sollte es auch anders sein, denn schließlich ist das neben ihrer außergewöhnlichen, markanten Soulstimme ihr zweites Markenzeichen. Sie performte ihre Hits „Right to be wrong“ und „You had me“ und verbreitete damit vom ersten Moment an gute Laune und eine enorm positive Energie – einfach Lebensfreude pur. Passender kann man es vielleicht gar nicht beschreiben, denn für Stone, die schon im Alter von 16 Jahren mit ihrem Debutalbum „The Soul Sessions“ zum internationalen Star wurde, im Laufe der Jahre einen Grammy und mehrere Brit Awards gewann, ist Musik weit mehr als nur Unterhaltung oder Mittel zum Ruhm – sie ist Lebensenergie. Ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit bewegte sie bereits Anfang 2011 dazu, ihr eigenes Plattenlabel zu gründen und mit ihrer Stiftung „The Joss Stone Foundation“ unterstützt sie seit 2014 verschiedenste Charity-Projekte in über 200 Ländern dieser Welt. Nicht nur musikalisch eine außergewöhnliche und inspirierende Frau! Im weiteren Verlauf des Abends verzauberte sie in Duetten mit Michael Schulte („Ordinary“) und Vanessa Amorosi („Lady Marmelade“ / „It’s raining Men“).

Midge Ure bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Midge Ure bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena

Nach einem kurzen Klassik-Abstecher – „Lacrimosa/Dies Irae“ aus Mozarts unvollendetem Requiem (katholische Requiem-Messe) – betrat sogleich der zweite Weltstar des Abends die Bühne: Midge Ure. Der schottische Grammy-Gewinner feierte seine größten Erfolge Anfang bis Mitte der 80er Jahre, sowohl als Sänger der Synthiepop-Band „Ultravox“ als auch als Solokünstler, und schrieb als Mitinitiator von „Band Aid“ und „Live Aid“ Musikgeschichte. Mit „Dancing with tears in my eyes“ sorgte der 72-Jährige sofort für Nostalgie und Gänsehaut-Stimmung und brachte das Bremer Publikum gleichzeitig vom ersten Ton an auf seine Seite. Die Halle tobte. Danach performte er „Vienna“ und „Breathe“ und ich war sehr beeindruckt, wie klar und kraftvoll seine Stimme noch immer ist – beileibe keine Selbstverständlichkeit in so einem fortgeschrittenen Alter, gerade was die hohen Töne angeht! Auch an der Gitarre überzeugte der Vollblutmusiker auf ganzer Linie und machte einfach Spaß.

Safri Duo bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Safri Duo bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena

Nach 20 Jahren zurück auf der NOTP-Bühne: Safri Duo

Nach einem weiteren Klassik-Stück, die „Barcarolle“ aus Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“, wurde es laut in der Bremer ÖVB-Arena: Die dänischen Percussion-Künstler Safri Duo betraten die Bühne und nahmen die Halle ein, anders kann ich es nicht beschreiben. Mit ihren Hits „Played-a-live (The Bongo Song)“ und „Cinema Time“ sowie „The Cave“ (im 2. Programmteil nach der Pause) versprühten Morten Friis und Uffe Savery pure Lebensfreude und eine Wahnsinnsenergie, die einfach ansteckend war. Dem Bremer Publikum wird ja im Allgemeinen gerne mal nachgesagt durchaus etwas träge zu sein und ich würde den Altersdurchschnitt bei den „Night of the Proms“ auch eher auf um Mitte 40 oder höher einstufen, zu dem alles komplett bestuhlt – aber was soll ich sagen? Das Safri Duo hat das Publikum zum Springen gebracht! Damit waren die beiden dann auch mein persönlicher Überraschungsmoment des Abends. Einzig ihre Version von „Carol of the Bells“ konnte mich nicht so ganz überzeugen, aber da bin ich auch einfach Chor geprägt und traditionell.

Vanessa Amorosi bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Vanessa Amorosi bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena

Auch Vanessa Amorosi ist gewissermaßen eine NOTP-Wiederholungstäterin. Im vergangenen Jahr war sie als Stimme von „Eurythmics“ Teil der „Night of the Proms“ und kehrte nun in diesem Jahr als Solokünstlerin zurück auf deren Bühnenbretter. Ihre 4-Oktaven-Stimme verzauberte bereits ein Milliarden-Publikum bei den Olympischen Sommerspielen in Sydney oder auch beim World Music Award. Auf sie hatte ich mich, ehrlich gesagt, mit am meisten gefreut. Zum Millenniumswechsel war der australischen Powerfrau mit „Absolutely Everybody“ der internationale Durchbruch gelungen. In Bremen ehrte sie ihren Song mit den Worten „celebrating 25 years of ‚Absolutely Everybody’“ und einer speziellen Version, die leider weniger Pep hatte als das Original, aber das Publikum dennoch mitreißen konnte. Sie performte noch „Light my Fire“. Doch am meisten begeisterte sie die Bremer:innen mit „Music“ von John Miles – ein Song, der natürlich bei keinem NOTP-Abend fehlen darf!

Michael Schulte bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Michael Schulte bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena

12 Points go to Michael Schulte

In der zweiten Hälfte des Abends trat dann erstmals Michael Schulte auf. Er erzielte 2012 den dritten Platz bei der TV-Show „The Voice of Germany“ und ist spätestens seit seinem überraschenden 4. Platz beim ESC (Eurovision Song Contest) im Jahr 2018 nicht mehr aus der deutschen Musiklandschaft wegzudenken. Auf der NOTP-Bühne präsentierte er seine Songs „Falling Apart“, „You let me walk alone“ und „Back to the Start“, wofür er vom Bremer Publikum Standing Ovations bekam. Überhaupt kam seine ruhige, geerdete und zugleich auch freundliche, offene Ausstrahlung bei uns Norddeutschen sehr gut an. Geboren in Eckernförde und wohnhaft in der Nähe von Buxtehude könnte man ihn auch schon fast als Lokalmatadoren bezeichnen. Wer ihn gerne mal live erleben möchte (was ich hiermit definitiv empfehlen kann), hat bereits im kommenden Jahr die nächste Gelegenheit dazu: Am Dienstag, den 21.04.2026 spielt er im Metropol Theater Bremen.

Natürlich gab es auch nach der Pause Klassik-Einlagen, allerdings – wie bereits erwähnt – zumindest gefühlt weniger als die letzten Jahre. Nichtsdestotrotz brillierten das Antwerp Philharmonic Orchestra und der Chor Fine Fleur abermals mit den Stücken „Va, pensiero“ aus Verdis Oper „Nabucco“, „Trauermarsch einer Marionette“ von Charles Gounod und Tchaikowskis „Romeo & Juliet“.

Alice Cooper bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Alice Cooper bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena
Alice Cooper bei der Night of The Proms 2026 in der Bremer ÖVB-Arena

Godfather of Shock Rock: Alice Cooper

Zum Ende des Abends betrat eine lebende Legende die NOTP-Bühne: kein geringerer als Alice Cooper höchstpersönlich! Seit den 70ern ist er im Musikgeschäft und gilt als unbestrittener Pionier des Shock-Rock. Mit seiner Mischung aus Hard Rock, Horror und Theaterspektakel prägte er ein ganzes Genre und fasziniert bis heute – egal ob früher mit der „Alice Cooper Band“, heutzutage mit den „Hollywood Vampires“ (mit Johnny Depp und Joe Perry) oder solo. Selbstverständlich präsentierte er seine bekanntesten Hits „Poison“, „School´s out“ und „Only women bleed“ und brachte die ÖVB-Arena Bremen damit zum Beben. Im Rahmen der „Night of the Proms“-Tour performt der 77-jährige aber auch erstmals live einen eigentlich alten Song aus dem Jahr 1991, „Might as well be on the Mars“. Warum erstmals? Nun, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, ganz einfach weil „obviously I haven’t had such a great orchestra“. Mit ihm auf der Bühne war auch sein „favourite Brazilian Vampire“, Ehefrau und Tänzerin Sheryll Goddard, mit der Alice Cooper bald 50 Jahre verheiratet ist. Lieben wir!

Mit dem Song „Come together“ von den Beatles kamen dann noch mal alle Künstler:innen zum großen Finale auf der Bühne zusammen.

Unser Fazit

Kurz und knapp: Es war wieder sehr schön und einfach ein zauberhafter Abend. Die Kombination aus klassischer und Populärmusik, aus Symphonieorchester und Rockband ist einfach immer wieder besonders und zeigt, dass Musik einfach verbindet – über alle Genres hinweg. Wie ein Bekannter, Gospel-Pianist Kent Stevenson, einst zu mir sagte: „Music has the profound magic to bring people together.“ Ich finde, das spürt man bei der „Night of the Proms“ besonders gut. Und die Tatsache, dass ein Großteil der Karten für 2026 bereits am Showabend verkauft wurden, spricht für sich. Falls ihr euch noch ein Ticket für das nächste Jahr sichern oder vielleicht zu Weihnachten verschenken wollt, solltet ihr euch also besser beeilen. Der nächste Termin in Bremen ist am Sonntag, den 13. Dezember 2026 um 18 Uhr. Tickets sind bereits im Vorverkauf erhältlich.